Die Grundlagen: Prinzipien und Praktiken

Die Kanban-Methode, wie sie maßgeblich von David J. Anderson geprägt wurde, stützt sich auf ein festes Fundament aus Prinzipien und Praktiken.

Change-Management-Prinzipien

Diese Prinzipien erkennen an, dass Organisationen aus Menschen bestehen, die oft Widerstand gegen harte Veränderungen leisten.

Service-Erbringungs-Prinzipien

Diese Prinzipien richten den Blick nach außen auf den Kunden.

Starte mit dem, was du jetzt tust

Respektiere bestehende Rollen, Prozesse und Verantwortlichkeiten. Kanban ist keine „Big Bang“-Transformation, sondern setzt auf dem Bestehenden auf.

Verstehe und fokussiere die Bedürfnisse und Erwartungen der Kunden

Der Kunde definiert den Wert

Einige dich darauf, Verbesserung durch evolutionäre Veränderung anzustreben

Kleine, kontinuierliche Schritte sind nachhaltiger als radikale Umbrüche

Manage die Arbeit, lass die Menschen sich selbst organisieren

Statt Menschen zu mikromanagen, steuern wir den Fluss der Arbeit durch das System

Fördere Handlungen von Leadership auf allen Ebenen

Führung ist nicht nur Sache des Managements. Jeder kann Verbesserungsvorschläge machen und Verantwortung übernehmen

Entwickle das Netzwerk aus Services weiter

Überprüfe regelmäßig die Regeln und Abläufe, um die Ergebnisse zu verbessern

Die 6 Kernpraktiken von Kanban

Um diese Prinzipien lebendig werden zu lassen, definiert Kanban sechs zentrale Praktiken.

Visualisiere (Visualize)

Mache die Arbeit und den Prozess sichtbar. Ein Kanban-Board zeigt nicht nur die Aufgaben, sondern auch Prozessrisiken und Engpässe. Es ist ein Modell der Realität, nicht eines Wunschzustandes

Mache Prozessregeln explizit (Make Policies Explicit)

Wie wird Arbeit priorisiert? Wann ist eine Aufgabe „fertig“? Solche Regeln müssen sichtbar und vereinbart sein, damit das Team autonom Entscheidungen treffen kann

Limitiere die parallele Arbeit (Limit WIP)

Dies ist der Schlüssel zu einem Pull-System. Indem wir die Anzahl der gleichzeitig bearbeiteten Aufgaben begrenzen (Work in Progress), zwingen wir das System, Dinge abzuschließen, bevor Neues begonnen wird („Stop starting, start finishing“),. Dies reduziert Kontextwechsel und beschleunigt die Durchlaufzeit

Implementiere Feedbackschleifen (Implement Feedback Loops)

Regelmäßige Meetings (Kadenzen) wie das Daily Kanban, Service Delivery Reviews oder Operations Reviews sorgen für den nötigen Informationsaustausch und Koordination

Steuere den Arbeitsfluss (Manage Flow)

Das Ziel ist ein gleichmäßiger, vorhersagbarer Fluss. Wir messen Metriken wie Durchlaufzeit und Durchsatz, um Engpässe aktiv zu managen

Verbessere gemeinsam, entwickle experimentell weiter (Improve Collaboratively, Evolve Experimentally)

Nutzung der wissenschaftlichen Methode (Hypothese -> Experiment -> Messung), um das System kontinuierlich zu verbessern (Kaizen)

Planning

Historische Durchsatzdaten (Throughput) helfen bei der Prognose, wie viel Arbeit in den Sprint passt, statt sich auf reines Bauchgefühl zu verlassen

Daily

Der Fokus verschiebt sich von „Was habe ich getan?“ hin zu „Welche Arbeit stockt?“. Das Team betrachtet das Board von rechts nach links, um Arbeit fertigzustellen (Work Item Age ist hier eine Schlüsselmetrik)

Retro

Hier wird der Flow analysiert (z. B. mittels eines kumulativen Flussdiagramms), um Prozessverbesserungen zu identifizieren

4 zentrale Flow-Metriken

Ein zentrales Element hierbei ist die Service Level Expectation (SLE). Sie ist eine Prognose, wie lange eine Aufgabe dauern wird, basierend auf historischen Daten (z. B. „85 % unserer Aufgaben sind in 8 Tagen oder weniger fertig“)
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WIP (Work in Progress)

Anzahl der begonnenen, aber nicht beendeten Arbeiten.

Durchlaufzeit (Cycle Time)

Zeitspanne vom Start bis zum Ende einer Arbeit.

Alter einer Arbeit (Work Item Age)

Wie lange ist ein aktuelles Ticket schon im System? Dies ist ein Frühindikator für Probleme.

Durchsatz (Throughput)

Menge der abgeschlossenen Arbeit pro Zeiteinheit.

Die Kanban University (The Kanban Method)

Die Kanban University, gegründet von David J. Anderson, ist die „Heimat“ der Kanban-Methode als eigenständiger Managementansatz

Fokus

Kanban als Methode für evolutionäres Change Management und Service Delivery auf Organisationsebene.

Ansatz

„Starte mit dem, was du jetzt tust.“ Es ist egal, ob du aktuell Scrum, Wasserfall oder Chaos hast. Kanban wird über den bestehenden Prozess gelegt, um ihn zu verbessern.

Besonderheit

Nutzt oft den STATIK-Ansatz (Systems Thinking Approach to Introducing Kanban), um ein Kanban-System von Grund auf zu designen. Es betont stark die Vernetzung verschiedener Services im Unternehmen (Enterprise Services Planning)

Professional Scrum with Kanban (Scrum.org / ProKanban.org)

Diese Richtung wird stark von Scrum.org und der Community um ProKanban.org (gegründet von Daniel Vacanti u.a.) getrieben.

Fokus

Die Anwendung von Kanban-Praktiken spezifisch innerhalb des Scrum-Rahmenwerks

Ansatz

Scrum ist der Container. Kanban ist die Strategie, um den Fluss innerhalb dieses Containers zu optimieren. Der Sprint bleibt bestehen, aber die Arbeit innerhalb des Sprints wird mittels Flow-Metriken gesteuert

Besonderheit

Legt extremen Wert auf die vier Flow-Metriken (WIP, Cycle Time, Throughput, Work Item Age) und deren statistische Nutzung für Vorhersagen (Probabilistische Prognosen statt Story Points)